Alle Jahre Monate wieder startet jemand eine Umfrage (aktuell gerade hier und hier), was die Konsumenten von Fanfiction denn so am liebsten lesen, und warum, und was sie gar nicht abkönnen. Früher fand ich das sehr spannend, inzwischen mehr so ach was (Überraschung: Slash ist sehr beliebt, Gen ist das Schlußlicht, Mpreg ist immer noch ein Grund zum Wegklicken, und "Vielleicht" ist ein tolles Wort).
Was mir aber diesmal wieder extrem aufgefallen war: ich bin außerstande, meine Vorlieben in griffige Worte zu packen, und schon gar nicht in Genres zu denken. Klar, ich weiß daß ich sehr stark zu m/m-Inhalten tendiere, auch wenn ich in letzter Zeit mehr Het lese als früher. Ich weiß, daß ich Geschichten mit ein bißchen Sex drin bevorzuge, und auch Geschichten, die bittersüß oder schmerzlich, melancholisch oder besessen-leidenschaftlich sind.
Aber das übergeordnet zu kategorisieren ist mir unmöglich.
Nehmen wir mal das Düstere. Theoretisch könnte ich da "angst" oder "darkfic" nehmen. Dummerweise assoziiere ich "angst" aber mit den Ergüssen unglücklich verliebter Pubertierender ("Liebt sie mich oder doch nicht? Bin ich vielleicht schwul/lesbisch/bi?" Es wird heimlich angeschmachtet, Tränen werden wahlweise geweint oder mit Eyeliner aufs Gesicht gemalt). Und bei "darkfic" haben wir schnell ein Definitionsproblem.
Ich vergleiche das immer ganz gern mit dem Sammelbegriff BDSM (der ja auch zu diversen Debatten bezüglich Warnungen in Fic-Beschreibungen geführt hat, also liegt der Vergleich recht nahe). Für manche gilt es schon als kinky, wenn man den Partner mit Seidenschals ans Bett fesselt, für andere ist das noch vanille. Wenn ich zum Beispiel lese "Diese Fic enthält Beschreibungen von sadomasochistischen Praktiken", dann wirft das bei mir lediglich Fragen auf: welche Praktiken, und wie ausgeprägt? Da brauche ich schon mehr Informationen. Ein Etikett wie "Wincest" z.B. ist da etwas genauer, aber davon lese ich wiederum nur bestimmte Spielarten.
Den verläßlichsten Hinweis darauf, ob mir eine Geschichte gefallen könnte, habe ich bisher immer noch in der Inhaltsangabe oder einem Zitat gefunden. Je nachdem kann das einem Eindrücke von den Dialogen, der Charakterisierung, der Schreibweise und der Handlung vermitteln, und das ist ziemlich viel, wenn ihr mich fragt. Eine Inhaltsangabe ohne Zusatzinformationen reicht mir häufig, Fic-Eckdaten ohne Inhaltsangabe nur selten.
Aber am einfachsten ist für mich immer noch die Benennung dessen, was ich nicht lesen möchte. Eine von mir sehr geschätzte Autorin hat Mpreg geschrieben, mit einem Paar das ich mag und einem (soweit möglich) plausiblen, nicht stereotypen Plot -- und trotzdem habe ich es bis heute nicht gelesen, also gehe ich davon aus, daß Mpreg ansich mich abschreckt und nicht wie bei anderen Themen die Ausführung oder die Charaktere. Da hätte ich also endlich eine klare Aussage: kein Mpreg. Daß Beispiele für lustige oder zuckersüß-romantische Geschichten in meinen Lesezeichen praktisch nicht vorhanden sind, sagt ebenfalls etwas aus. Oder daß ich bei Eltern-Kind-Wincest erstmal spontan zurückzucke, oder Charakter R nur in einer Dreierkonstellation mit N oder T (optional) und J (zwingend) interessant finde. Verhasste Autorinnen habe ich auch (kann aber komischerweise keine aktuellen Lieblingsautorinnen nennen). Und dann gibt es natürlich noch die ganzen Unter-Unter-Kategorien: "wing!fic", "cat!Tim", "nipple play" und was weiß ich, wo mein Interesse gegen Null tendiert. Kurz: viele kleine und große Dinge, die zumindest aussortieren helfen. Aber das ist eine Negativdefinition (Ergebnis durch Ausschluß), und bei einer Positivdefinition... wäre ich überfragt.
Was mich immer wieder verwundert, sind diese mythischen "bulletproof kinks" -- da erklären mir dann Menschen, was sie alles zu ertragen bereit sind, solange die Geschichte nur Komponente X oder Z oder eine Kombination der beiden aufzuweisen hat, bis hin zu Aussagen wie "... dann lese ich sogar bad!fic". Ich habe das nie verstanden, weil ich auch überhaupt nicht in der Lage wäre, meine "kinks" (und ich halte das für ein starkes Wort, viel gewichtiger als "das mag ich ganz gern") zu benennen -- und dann noch so, daß man die offensichtlichen Schwächen einer Fic nicht mehr wahrnimmt? Manchmal denke ich, so eine hieb- und stichfeste, idiotensichere Vorliebe hättest du auch gern -- es erleichtert sicherlich die Qual der Wahl. Aber wie gesagt, das Konzept ist mir fremd. Ich kann mir das einfach nicht vorstellen.
Alles in allem kann ich nur sagen: ich beneide Fans, die nicht nur genau wissen, was sie wollen, sondern die das sogar benennen und einordnen können. Mit Genre und Typ!