March 18th, 2008

[info]lenija in [info]chaos_dialogues

Logbuch des Shoguns, sechster Eintrag

Ciudad de Ivana, Frühjahr

Ich reise hin und her zwischen dem neuen Gildenhaus in der Hauptstadt und hier, es ist abenteuerlich, anstrengend, beanspruchend, und ich ziehe es jederzeit der gepflegten bäuerlichen Langeweile vor, mit der ich mich in Asahi und Oura auseinanderzusetzen habe. Es ist kein Zeichen von Kompetenz, so unflexibel zu sein, glücklicherweise merkt es nun niemand, weil ich gute Vertreter zuhause habe und meine Pflichten als Ratsmitglied im Rat der Hanse ebenso wichtig sind wie die alten daheim. Im Winter werde ich wieder hier in der Burg sitzen, jetzt aber ist Frühjahr, und es gibt viel zu tun. Auch bevor mich im späten Sommer und Herbst die Schwangerschaft davon abhalten wird, bei Wind und Wetter unterwegs zu sein.

Wir haben uns einen Platz im Kaiserreich erkämpft, der nicht mehr einfach so zu übersehen ist. Inse hat ein ordentliches mittelgroßes Heer zur Bewahrung unserer Sicherheit aufgestellt und arbeitet mit den Schmieden der Yamamoto Ryu zusammen, um die Herstellung besserer Waffen zu vereinfachen, mit denen die alten Techniken umgesetzt werden können. Sie hält diese Techniken, nachdem sie sie nun kennengelernt hat, für äußerst effektiv und durchaus zeitgemäß. Mir gefallen die Taktikhinweise in den Schriften beider Traditionen. Sie sind kombinierbar; manchmal fechte ich auf dem Papier und im Kopf die kleinen Kriege aus, die ich in der Wirklichkeit zu vermeiden suche, und probiere neue Kombinationen wie Schachzüge.

Es regnet, der Wind weht heftig von der Muro dela Llama her und stinkt nach Sumpf. Ich habe wenig Lust, mich gleich wieder auf den Weg nach Ciudad de Argentea zu machen. Morgen, vorher die Papiere, und ein Besuch in Oura, die Kapelle einweihen. Hoffentlich gibt es keinen Sturm, bevor der Deich befestigt ist, oder Ilvauntras Spiegel versetzt meinem Dörfchen einen schmerzhaften Schlag - gut übermorgen in die Hauptstadt. Martell wird auch nicht früher da sein.

Rico ya Ivana, Condesa

persönliche Notiz auf separatem Blatt:
Auch diese privaten Dinge sollten wohl irgendwo niedergeschrieben werden, nicht unbedingt in dem Dokument, das als erstes in den Händen meiner Erben landen wird, aber irgendwo.
Ich habe mir Gedanken über Erben gemacht, doch kann ich mich damit nicht herausreden; Tokema Hiroshi stand keinen Moment lang auf der Liste der potentiellen Kandidaten, egal ob für eine Ehe oder als Vater meines ersten Kindes. Wenn ich nach Koryos Vermutung - oder Anschuldigung, je nachdem, wie man es sieht - gehe, dann habe ich aus Kalkulation mit Tokema geschlafen, denn ich sei ein kalkulierender Mensch, meint Koryo, niemand, der sich von Leidenschaften überwältigen läßt, erst recht nicht (und das nun nehme ich an, daß er denkt), wenn es um einen Mann geht, der gut mein Vater und beinah schon mein Großvater sein könnte. Ich mochte Koryo nicht glauben, er war offensichtlich eifersüchtig. Was hat er gedacht, daß ich ihn heiraten würde? Dazu bräuchte ich zuerst einmal eine sehr gute Rechtfertigung, ihm einen Adelstitel zu geben, und dann ein paar Jahre Wartezeit, damit es nicht mehr so auffällig ist. Jeder kennt die Geschichte, eine Erhebung in den Adelsstand für eine Mätresse ist nicht unüblich, aber von den Konservativen nicht gern gesehen, und für die Ehe gelten solche Aufsteiger als ganz und gar nicht geeignet.
Wie auch immer, wenn ich darüber nachdenke, Koryo wird recht haben. Zwar hatte ich in jenem Moment eher das Gefühl, mich in der Tat von Leidenschaften hinreißen zu lassen, denn ältere Männer habe ich noch nie als unattraktiver denn jüngere gesehen. Meinem Charakter jedoch entspricht es nicht, Emotionen nachzugeben, bevor sie überprüft worden sind, und ich habe mir nur nicht eingestehen wollen, daß Tokema eben doch auf der Liste stand.
Koryo sagt:" Du wußtest, daß er der allerletzte ist, der dir einen Strick daraus drehen wird. Und daß er es nicht verwenden wird, um Macht über dich zu erlangen."
Wahr ist neben diesem Punkt nun aber auch, daß Tokema Hiroshi mir in den letzten drei, vier Jahren nicht nur ein Unterstützer und Ratgeber, sondern auch ein Freund geworden ist. Ein kritischer Freund, der oft unzufrieden mit meinen Entscheidungen ist, und der mir seine Zweifel eingesteht. Ein veritabler Gegner meiner Politik der Neutralität, ein ewiger Hinterfrager, einer, der für eine andere Generation und eine andere Tradition steht als mein Onkel oder ich - und gerade aus all diesen Gründen ein Freund, weil er immer nur das Beste will für mein - unser! - Land und für mich. Insofern glaube ich, daß Kalkulation und Intuition hier zusammengearbeitet haben. Mit Koryos Verärgerung werde ich leben müssen. Meine Wahl ist nicht falsch gewesen.

[info]lenija in [info]chaos_dialogues

Captain's Story - RPG-Tie-In

[Kontext: Eine gar dunkle und furchterregende Geschichte...]

"Auf keinen Fall." Der Schmied hat seinen Hammer nicht beiseite gelegt, und würde Izumi ihren Vater nicht so gut kennen, würde sie sich Sorgen darum machen, was er mit ihm vor hat, ob er vielleicht seine Aussage mit einem Schlag auf den Amboß oder anderswohin bekräftigen will, doch so etwas tut er nie, er ist zu verantwortungsbewußt.
Sie wünscht, er könnte einmal aufhören, sich um das Wohlergehen seiner Mitmenschen zu kümmern.
"Don Koryo hat den Weg schon dreißig Mal gemacht, Papa, und er sagt, es wäre sicher."
"Sicher? Sicher um die Nebelhöhen? Sicher in Wäldern, in denen sich Werwölfe herumtreiben?"
"Du planst schon seit Jahren, einmal zum Markt nach Rothenau zu reisen und Frerk von Siebensprung zu treffen, doch nie tust du es! Ich biete dir die Möglichkeit, ihm zumindest eine Botschaft von dir zu überbringen, und denk an den Handel -"
"Genug jetzt, Kind. Ich habe meine Entscheidung getroffen."

---

"Izumi Armero. Arbeitest du jetzt nicht in der Burg als Dienerin?"
"Was geht dich das an, Elas? Bist du nicht nur Schmuggler, sondern auch Spion?"
Auf Elas' dunkler Haut sieht man nicht, ob er blaß wird, aber Izumi sieht seinen Mundwinkel zucken.
"Oh nein, sag nicht -"
"Halt den Mund, Armero, hier kommen Leute vorbei. Du kannst heute abend im "Krug" mit mir reden, nach Sonnenuntergang."
"Nach Sonnenuntergang? Wie soll ich mich da hinausschleichen können?"
"Das ist deine Angelegenheit. Eine, die Kriegerin werden will, wird's ja wohl schaffen, nachts aus dem eigenen Haus rauszukommen." Er spuckt einmal auf den Boden, bevor er, ohne ihr einen weiteren Blick zu schenken, um die Ecke biegt und in einer der Gassen am Hafen verschwindet.

Natürlich ist es nicht so schwierig, leise aus dem Fenster zu klettern, wenn die Eltern schlafen, den Laden vorsichtig wieder zu schließen und rasch auf bloßen Füßen zum Hafen zu rennen; sie tut es nur nicht gern. Oder sie tut es wohl gern. Sie mag nur nicht dem Vater gegenüber stehen, wenn er sie erwischt, und schon wieder denselben Streit mit ihm führen, den sie schon viel zu oft ausgetragen haben, ohne daß dadurch etwas besser geworden wäre.
Vielleicht schläft er tief genug. Sie hofft es.
Elas ist da, in einer Ecknische, halbverborgen vor den interessierten Blicken einiger Mädchen und Jungen, die im "Krug" auf der Suche nach Küssen sind.
Izumi läßt sich neben ihn auf die Bank gleiten. Ihr dunkelbrauner Umhang hilft ihr, mit dem Schatten zu verschmelzen (so ist es jedenfalls gedacht).
"He."
"He Armero, hast es also geschafft."
"Was hast du denn gedacht?"
"Woher sollt' ich denn wissen, ob du die Traute hast? Ich sehe dich zwar immer in den Gassen und am Hafen rumlungern, seit du ein Balg bist, aber das sagt nichts darüber, ob du wirklich was mit uns Straßenvolk gemein hast oder nur ein Möchtegern-Spielchen spielst."
"Ich bin nicht hier, weil ich dringend etwas mit dir gemein haben will."
"Ah, so. Und warum biste hier, Tochter des Waffenschmieds?"
Gerade will sie leise werden und es ihm erzählen, als die Bedienung ihr an die Schulter tippt und auf ihr ablehnendes Kopfschütteln darauf besteht, sie müsse bestellen oder sie könnte nicht hier sitzen.
"Geht auf meine Rechnung, Bea", sagt Elas.
"Auf gar keinen Fall!" protestiert Izumi. Bea fragt: "Was jetzt?", ungeduldig. "O-Nigorizake", sagt Izumi, "und ich bezahle selbst."
Elas zieht eine Augenbraue hoch. "Taschengeld?" fragt er spöttisch.
Oh, Izumi hat keine Lust mehr, sich das anzuhören. Sie hat keine Lust mehr, ständig beweisen zu müssen, daß sie auch etwas kann und sich etwas wagt, nur weil ihr Vater sie wie ein Kleinkind behandeln will und jeder darüber Bescheid weiß.
"Blödsinn", sagt sie. "Ich bin hier, weil ich nach Rothenau reisen will. Und du kannst mir helfen, aus der Stadt rauszukommen."
Er sieht nicht mehr ganz so besserwisserisch aus wie vorher, glaubt sie im Kerzenlicht zu erahnen, eher neugierig.
"Was willst du dort? Markt kannst' auch hier haben. Oder in der Hauptstadt."
"Ein Botschaft überbringen."
"Dir ist schon klar, daß es im Eibentalwald Werwölfe gibt."
"Dort sind auch schon andere Händler durchgereist, nicht wenige außerdem."
"Ja, mit Schutzzaubern und Bewaffneten. Und aus sinnvollen Gründen, Handel zum Beispiel."
"Kann dir doch egal sein, warum ich dorthin will. Hilfst du mir nun, oder nicht?"
"Wieso sollte ich überhaupt?"
"Vielleicht", beginnt Izumi und senkt die Stimme, "damit nicht jeder hier erfährt, daß du ein Spion bist?"
Diesmal wird er wirklich bleich hinter der Kerze, läßt sich ein Stück zurücksinken, um besser in den Schatten verborgen zu sein. "Wie kommst du überhaupt auf die Idee? Die ist dumm wie ein Riese."
"Du bist ein miserabler Spion, hast dich sofort verraten. Und seit wann sollen Riesen dumm sein?"
"Hör mal, Izumi, das ist keine lustige Geschichte. So eine Beschuldigung kann mich ganz schnell den Kopf kosten. Wenn du schon mit dem Wort um dich schmeißen mußt, tu's verdammt nochmal nicht da, wo dich einer sehen oder hören kann, noch besser: weit weg von mir."
Sie erschrickt, als sie die Angst in seiner Stimme hört, aus dem wirklichen Leben kommt sie, geprägt von Dingen, die ihm geschehen sind, nicht von Märchen. Es erinnert sie daran, daß sie ja wirklich so unwissend ist, wie die Leute sagen. Vielleicht ist sie wirklich ein dummes Kind.
"Schon gut", sagt sie, "ich sag' nichts mehr davon. Tut mir leid."
Elas beugt sich vor, so daß sie wieder sein Gesicht sehen kann. Er grinst, etwas wacklig.
"Du nimmst deine Drohungen zu schnell zurück, Chica. So merkt jeder gleich, daß du nicht bereit bist, was durchzuziehen."
Bea rauscht vorbei und knallt zwei Sakebecher auf den Tisch; Izumi muß sich beherrschen, nicht zusammenzuzucken. Elas rührt keine Wimper. Kann sein, daß er doch nicht so ein schlechter Spion ist.
"Eigentlich", sagt sie, sie merkt, daß es ihr herausrutscht, aber es ist ihr fast egal, "eigentlich will ich gar nicht unbedingt nach Rothenau. Ich will einfach irgendwohin, an irgendeinen Platz, der nicht Asahi ist oder Ivana-Stadt oder Oura. Ich hab' genug von daheim."
Ihr Gegenüber nickt, zieht einen Becher zu sich heran. "Dacht' ich mir."
"Besserwisser."
"Nesthäkchen."
Sie muß lachen.
"Hör mal", sagt er dann.
"Ich hör doch längst."
"Ich bin übermorgen weg hier, über's Meer zu den Inseln. Ist nur ne kleine Handelsreise, verstehst du, vielleicht könnt' ich ein Schiffsmädchen unterbringen. Wenn du denkst, daß du das hinkriegen kannst."
"Zu den Inseln? Aurora?"
"Ja, zwei Wochen Reise."
Izumi zögert. "Warum würdest du mich mitnehmen wollen?"
Er zuckt die Schultern.
"Gut", sagt sie, entschlossen. Elas hebt den Becher, um mit ihr anzustoßen. Ton klirrt auf Ton.