May. 23rd, 2008

[info]lenija

Estella Mague, Arbeitsjournal, 1.

Ich dachte, es würde ein gewöhnliches kleines Ausgrabungslager werden, und genauso habe ich es geplant. Stoff für feste Zelte eingekauft, mit dem Budget von der Universität knapp gewirtschaftet, zwanzig Leute einkalkuliert, inklusive Soldaten, weil man uns Wissenschaftler immer nicht allein in die Wildnis gehen lassen will, dann meine Mitarbeiter und die Grabungshelfer, vor allem junge, kräftige ohne Arbeit.

Da wußte ich auch noch nicht, daß Don Koryo wirklich Graf werden wird.

Als wir fast alles gepackt und vorbereitet hatten, sammelten sich um unsere Wagen auf einmal die ersten Unbeteiligten mit vollen Taschen. Zugegeben, ich achtete nicht darauf. Leh Suwara war vorbeigekommen und bat mich, am Tag darauf mitkommen und helfen zu dürfen; der Hauptmann der Stadtwache hatte ihm für mindestens eine Woche verboten, harte körperliche Arbeit zu erledigen. Weshalb es natürlich auch nicht klug gewesen ist, ihn mitzunehmen, ich weiß.
Aber immerhin ist er es gewesen, der die Hexe in den Ruinen gesehen hat, daher fand ich, er hätte es verdient, dorthin gehen zu können, wann immer er will.

Also - wir bauten unsere Zelte unweit des Baches auf, gruben unsere Latrinegräben und richteten uns häuslich ein, um eine gute Ausgangsbasis für die Grabung zu haben.
Am Tag darauf sind wir zum ersten Mal mit einer größeren Gruppe von Experten zu den Ruinen gegangen. Ich habe sicher wie ein Kind gestrahlt, als ich meinen Kollegen alles zeigen konnte, meine Entdeckung, denn irgendwie war sie das noch immer. Obwohl sicher auch bald ein anderer sie gefunden hätte, auch ohne meine Versuche in Traumdeutung.
Wir steckten Planquadrate ab und fingen beim nächsten Tagesanbruch an.
Ich habe nicht wirklich gemerkt, daß da Nichtarchäologen im Lager waren. Erst, als wir bei unsrer Rückkehr am Abend gekochtes Essen riechen konnten, wurde mir klar, daß wir Anhänger hatten.

Jetzt fangen die, die später gekommen sind, schon an, die Häuser besser zu befestigen und Werkstätten zu errichten. Es sind Leute verschiedenster Professionen.
Weil ich nichts von einer Siedlungserlaubnis wußte, wollte ich sie zuerst alle wegschicken. Leh kam bald genug mit einem Brief von Don Koryo im Gepäck.
Er sagt, man betrachtet uns in der Stadt so ähnlich wie die Siedler am Seeufer, nur, daß man uns interessanter findet, weil wir von der Universität geschickt worden sind. Unser Lager wird "Mague no Campo" genannt, "Magues Lager", und sie ziehen es zu einem Wort zusammen, als ob das ein Dorfname sei, und nicht einfach nur eine Bezeichnung für ein paar Zelte unter meiner Leitung.

"Ihr sagtet doch, Mague-san, daß die Ruinen für Euch und Eure Mitarbeiter Jahre an Arbeit bieten, nicht wahr?" vergewissert sich Leh vorsichtig.
Estella wühlt in ihren Locken, sie hat schon fast den ganzen rechten Zopf wieder aufgezogen. "Ja", sagt sie, "das schon, aber daß noch jemand anderes hierher kommen will? Und daß sie einen ganzen Siedlungsbrief an uns verschwenden wollen?"
"Ich habe gehört, daß die Gräfin oft die Universität besucht, und auch Koryo-hoku soll sehr interessiert an neuen Forschungen sein. Vielleicht-"
"Daß es eine Geste wäre? Für die Wissenschaft?"
Er windet sich, nickt dann zögernd. "Ja. Und die Gegend hier ist gut, Mague-San. Der Bach, die Lage auf dem Hügel neben den Ruinen... wer nicht allzu abergläubisch ist, könnte wohl glauben, daß es sich hier angenehmer leben läßt als etwa im Hafenviertel."
Estella klammert sich an ihren Becher; vor ihren Augen verschwimmen die Flammen des Feuers. "Also heißt jetzt ein Dorf nach mir."
Leh lächelt in seinen Sake und sagt nichts.
"Sie hätten es wenigstens Espejo dela Strega nennen können", murmelt Estella. Aber sie weiß am besten, wie solche Dinge sich manchmal selbst entscheiden. Hitzusen ist nichts als Interpretation.